Nun sind schon wieder mehr als zwei Monate vergangen, in denen wir die unendliche Weite Russlands unter unsere Räder nahmen. Von Kaukasus (Кавказ) bis Baikal (Байкал) führte unsere Route durch verschiedenste Republiken der Russischen Förderation. Mit den verschiedensten Eindrücken, Erlebnissen und Reisebekanntschaften in unserem Gepäck verlassen wir das Gebiet ringsum den Baikal (Байкал) und nähern uns der russisch-mongolischen Grenze.
Es wird höchste Zeit sich gen Süden zu bewegen, denn in Russland beginnt langsam der Herbst mit seinen merklich kühleren Tagen. Nach Ulan-Ude (Улан-Удэ) stehen wir am Abend des 6. Augustes am Grenztor in K'achta, doch man verwehrt uns den Einlass. Wir sind zu spät, denn die Grenzer sind gerade auf dem Weg in den Feierabend. Uns bleibt nichts anderes übrig, als im nahegelegenen Wald abseits der Stadt unser Zelt aufzuschlagen.
Ein breiter Sandstreifen zieht sich ungeachtet aller Steigungen und Gefälle auffallend geradlinig durch den Wald. Wir entdecken zwei Fahrzeugspuren ohne erkennbares Profil. Der Verlauf, die Achsbreite und die Breite der Spuren lässt nur einen Schluss zu. Zwei Fahrzeuge ganz besonderer Art fuhren hier wohl kürzlich Patroullie. Ein Stück weiter im Wald zeltend werden wir am nächsten Morgen um 6 Uhr 30 auf etwas ungewöhnliche Art und Weise geweckt. Ein lautes Brummen kommt bedrohlich nahe und lässt unsere Kinnladen nach unten klappen. Hundert Meter vor uns auf dem Sandstreifen passiert soeben ein Panzer bei der wohl allmorgendlichen Grenzkontrollfahrt unser gut verstecktes Zelt.
Unfassbar witzeln wir darüber, noch Glück gehabt zu haben, dass der T34 nicht seine Kanone durch unser kleines Zeltfenster gesteckt hat. Russland ist schon eine Reise wert und hält auch noch ein zweites, letztes Abenteuer für uns bereit. Abermals vor'm Grenztor, diesmal aber bedeutend früher gewährt man uns ohne längeres Warten Einlass. Am Schalter dann entdeckt ein uns sympatischer, aber leider übereifriger Grenzer, dass unsere Fahrzeugregistrierung für Russland vor drei Tagen abgelaufen ist. Schon sitzen wir im Chefbüro und werden von Mr. "Ich hab hier alles im Griff" eingeschüchtert. Die Höhe ihrer unzähligen Strafen kennen die Russen wohl auswendig. Insgesamt 1000 Rubel soll der Spass kosten und wir dürften weiter.
Unsere Unschuldsbeteuerungen und die Erklärung, dass dies ein Fehler ihrer Kollegen am anderen Ende Russlands sei, lässt unsere Gegenspieler kalt. Doch ihre erneute Forderung nach dem etwas überteuerten Taschengeld uns ebenfalls. Die Diskussion geht hin und her und führt zu keiner Lösung. Erstmal will man sich nicht weiter mit uns belasten und lässt uns somit draussen bei unseren Moppeds warten. Das ist ein ausgesprochen blöder Schachzug der eigentlich ganz sympatischen Grenzer. Da können wir sie ja gar nicht mehr mit unserem Problem konfrontieren.
Also lassen wir ihnen 10 Minuten Bedenkzeit und stehen danach wieder vor ihrem Büro. Diesmal geleitet uns unser übereifriger in ein anderes Zimmer, in dem er sich anschickt, die Suppe wieder auszulöffeln, die er sich selbst und uns eingebrockt hat, denn er bekam wohl die Order, ein umfangreiches Protokoll aufzusetzen. Während dessen erklärt uns Mrs. "So! Ihr müsst jetzt aber auf mich hören!" nochmals den russischen Standpunkt, wir ihr den deutschen und so bleiben die Fronten weiter unverändert.
Ein dritter Versuch erhitzt ein wenig die Gemüter, doch schnell bringen wir uns wieder unter Kontrolle und fahren abermals uns altbewährtes Prinzip: Wir haben Zeit! Nach etlichen Stunden des Wartens, der übereifrige tippt immer noch sein Protokoll, zeigt ein erneuter russischer Versuch die ersten Anzeichen des langersehnten Phänomens "So langsam haben wir die Schnauze voll". Aus 1000 Rubeln werden 600 und nach abermaligen Machtspielchen, Konfissionsandrohungen und Erklärungen beider Seiten unterschreiben wir ihr nun endlich fertiges Protokoll und dürfen ohne jegliche Entrichtung einer Strafgebühr den russischen Grenzposten passieren. Uns tut es schon fast ein wenig Leid um sie. Gaben sie sich doch solche Mühe mit uns.
Insgesamt zählte dieser Zwischenfall acht Stunden. Es ist spät geworden. Am mongolischen Grenztor werden wir trotz Toresschluss noch empfangen. Im Zollgebäude saust der Einreisestempel in unsere Pässe. Eine Abfertigung der Kfz-Papiere ist aber nicht mehr möglich. Dadurch können wir nicht weiter. Man erlaubt uns unglaublicher Weise unser Zelt mitten auf dem Grenzgelände der Mongolen aufzuschlagen. Eine ungewöhnliche Raststätte, aber für uns genau das Richtige.
Während wir unser wohlverdientes Abendessen kochen, patroulliert eine Gruppe mongolischer Soldaten im Gleichschritt über's Grenzareal. Dabei ein lockeres Motivationsliedchen auf den Lippen, erinnert mich dieses Bild an manche Szene aus US-amerikanischen Army-Filmen. Auch hier werden wir Opfer der allgegenwärtigen Gastfreundschaft. Soldaten bringen uns Nudelsuppe. Einer von ihnen bittet Lo um Hilfe. Er hat Probleme, ein Computerspiel zu starten. Schnell ist sein Problem beseitigt und der mongolische Grenzabend gerettet. Die freundliche, lockere und spontane Art der mongolischen Grenzer macht uns neugierig auf dieses neue Land, welches wir bisher nur mit dem Finger auf der Landkarte besuchten.
Am darauffolgenden Morgen schliessen sich hinter uns die Grenztore und wir fahren langsam an einer Gruppe umherstehender Mongolen vorbei. Begeistert rufen sie uns zu. Während wir in die vor uns liegende ausgedehnte Hügellandschaft eintauchen, klingt mir ein Satz immer noch in den Ohren:
"Welcome to Mongolia!"