13. Reisebericht in KaWe - Kurier 12/04

Mongolei II
Grenze - Ulaan Bator, 8. - 13. August, km 14200

Die Mongolei - das Land der Hügel und Jurten zieht uns schon auf den ersten Kilometern in seinen magischen Bann. Mit Überschreiten der russisch-mongolischen Grenze ändert sich mit einenm Mal das Landschaftsbild. Wo noch in Russland Baum an Baum dem Blick in die Ferne ein sattes Grün verlieh, reist hier der dichte Vegetationsteppich urplötzlich ab. Die sich endlos aneinanderreihenden Hügel vermitteln mir ein Gefühl der Harmonie. Im Kontrast dazu schlängelt sich ein dünnes, schüchternes Asphaltband zwischen jenen hindurch und bestimmt somit unserer nächste Reiseroute. Etwas Ungeduld schleicht sich in unsere Gemüter. Wir können es kaum erwarten, die ersten Jurten der mongolischen Nomaden zu sehen.

Noch eine Kurve und noch eine, dann erblicken wir die ersten weissen, winzigen Tupfer in den Tälern, welche einen interessanten Kontrast zu den grün-braunen Farbtönen der sperrlich bewachsenen Berghänge darstellen. Keine Kante und keine Ecke bringt diese Kompositionen von Farben und Formen aus dem Gleichgewicht. Dazu kombiniert der Himmel sein kräftiges, durchdringendes Blau, garniert mit einigen Schäfchenwolken. Zu oft verliert sich mein Blick in der Ferne. Mit einer Selbstverständlichkeit, als wenn es zuvor nie etwas anderes gegeben hätte, präsentiert sich uns Hügelformation an Hügelformation. Keine Anhöhe tanzt aus der Reihe. Sich nur gering in Grösse und Umfang unterscheidend, geben sie mit ihren Pastelfarben eine souveräne, friedliche und beruhigende Atmosphäre. Man könnte meinen, ein Hauch Spiritualität liegt in der Luft. Diese Umgebung scheint für Betätigungen meditativen Charakters jeglicher Art wie geschaffen. Die Aussicht über zahlreiche Hügelketten, die unendliche Weite vor meinen Augen lässt mich verstummen und nur noch schweigend geniessen. In grossen Schritten nähern wir uns der Hauptstadt der Mongolei. Karges Land fliesst an uns vorbei. Dünner Grasbewuchs ziert den Boden. Hier und da tauchen ab und zu Jurten auf. Oft grasen Pferde oder Schafe in ihrer Nähe.

Kurz vor Ulaan Bator nimmt dann der Verkehr zu. Die ersten Häuserzeilen gleiten an uns vorbei und wenig später hat uns bereits die Grossstadt aufgesogen. Grosse Werbetafeln vermitteln Professionalität. Am Strassenrand sitzen vereinzelt Mongolen mit kabellosen Telefonen in der Hand. Sie verdienen ihr Geld mit Telefongesprächen. Viele Werkstätten rechts und links der Fahrbahn bieten Reparaturdienste an. Dazwischen zwängen sich heruntergekommene Kioske. In der Ferne sind auf mehreren Hügeln die einfachen Behausungen der Mongolen zu erkennen. Oft ist nur ein 400m² grosses Grundstück von einem Lattenzaun umgeben. Entweder steht darauf ein Holzhaus, welches nach europäischen Massstäben eher der Definition eines Schuppens gleichkommt oder die so charakteristischen Jurten. Diese Areale liegen im Randgebiet der Stadt. Die Bezeichung jener Wohngegend tangiert irgendwo zwischen Wohnviertel und Slums.

Im Stadtzentrum spricht uns ein Mongole an. Sein 7-jähriger Sohn interessiert sich für die Maschinen. Wir kommen ins Gespräch und freuen uns über die Einladung, eine original mongolische Jurte einmal von innen zu betrachten. Der Mongole Namens Tsend geleitet uns zu seinem fünf Minuten vom Stadtzentrum entfernten Grundstück auf dem wir abgeschirmt vom Stadtgewimmel erstmal unsere Motorräder parken können. Dann stehen wir staunend und bewundernd im Inneren seiner Jurte und können uns gar nicht satt sehen. Als Wohn-, Ess- und Schlafstatt zugleich vermittelt der runde Raum ein auffallend gemütliches und wohnliches Ambiente. Ein farbenfroher Wandbehang ziert den Kreis des Innenzeltes. Die schräg nach oben zur Zeltmitte zusammenlaufenden Holzlatten sind mit einem traditionellen mongolischen Muster bemalt. Der Pakettfussboden, die Kommoden, Betten, Stühle und Tische erwecken den Eindruck in einer richtigen Wohnung zu stehen. Ein niedriger Ofen, der gleichzeitig als Herd dient verbreitet angenehme Wärme.

Lange unterhalten wir uns mit Tsend. Als es dämmert wollen wir wieder aufbrechen, doch man lässt uns nicht gehen. Das Angebot im Schuppen hinter der Jurte zu übernachten nehmen wir zögerlich aber überaus erfreut über die entgegengebrachte Gastfreundschaft an. Auch die nächsten Tage verbringen wir bei der Familie. So können wir unbesorgt der Ausrüstung und Motorräder unsere Angelegenheiten in der Stadt erledigen.

Wir suchen uns ein mongolisches Reisebüro, welches uns einen chin. Führerschein, ein chin. Nummernschild, einen chin. Reiseführer und unsere chin. Visa besorgen soll. Alles das sind Voraussetzungen, um individuell mit eigenem Fahrzeug nach China einreisen zu können. Nach langem Hin und her entscheiden wir uns für ein Reisebüro, dem wir es noch am meisten zutrauen, diese doch für mongolische Verhältnisse recht aussergewöhnliche Aufgabe gerecht zu werden. Schon während der Reisevorbereitungen wurden wir mit diesem gravierenden Problem konfrontiert. Von Deutschland aus hätten uns deutsche Reisebüros die geforderten Bescheinigungen nur zu astronomischen Preisen organisierten können, doch unsere Reisekasse zwingt uns zur unentwegten Suche nach einer akzeptablen Alternative. Kämen wir nicht über die mongolisch-chin. Grenze, müssten wir einen riesen Schlenker über Zentralasien oder über Wladivostok in Kauf nehmen, wo in beiden Regionen der Winter unmittelbar vor der Tür steht. Beunruhigende Aussichten für die kommenden Wochen, doch haben wir für die nächsten 14 Tage erst einmal die Weichen gestellt.

Unser Problem in guten Händen wissend, brechen wir zu einer Rundtour in der Wüste Gobi auf, welche uns für die nächsten 1500km vor Probleme ganz anderer Art stellen wird.