14. Reisebericht in KaWe - Kurier 15/04

Mongolei III
Gobi, 13. - 26. August, km 15100

Auf unserer Reise quer durch Eurasien durchquerten wir bereits Gebirge, ausgedehnte Waldgebiete, Steppen und Sümpfe. Doch nun befinden wir uns im Südwesten der Mongolei, um eine uns völlig neue Landschaftsart der Erde kennenzulernen.

Die Vorfreude auf eine Rundtour durch die Wüste Gobi steht uns in den Gesichtern geschrieben. Wir verlassen Ulan-Bator in Richtung Westen. Noch umgibt uns vertrautes Hügelland. Nach der ersten Tagesetappe zelten wir in einem der vielen Täler. Der darauffolgende Tag bringt Regen. Träge und lustlos bleiben wir in den Schlafsäcken hängen. Auch der nächste Morgen bringt keine Wetterbesserung. Trotzdem packen wir und wollen los. Ich versuche meine Maschine zu starten, aber sie will nicht so richtig anspringen. Na los, komm schon! Noch einmal und noch einmal dreht sich der Startermotor, doch ich kann meine Yami nicht überreden. Auch ein Fremdstarten scheitert und irgendwann bockt auch Lo's Maschine.

In diesem Moment kommt ein Mongolenjunge auf einem Pferd dahergeritten. Ich begleite ihn hilfesuchend nach Hause zu der Jurte seiner Familie. Unterwegs verschaffe ich mir Wärme, indem ich ihm helfe, seine Pferdeherde zusammenzutreiben. Während dessen amüsiert sich der Rotzbengel über mein Aussehen. Motorradkluft und Helm scheinen ihn an ein ausserirdisches Wesen zu erinnern. Mit seinen rotten Bäckchen und dem runden Gesicht grinst er mich trotz Nieselregen und Kälte gutgelaunt an, so dass es auf meine Stimmung abfärbt. Die Schlitzaugen haben schon starken chinesischen Einschlag. Warm und trocken in seine für die Mongolen so typische Kutte gehüllt, trabt er neben mir her. Mein Blick geht über die Pferdeköpfe hinweg in die Ferne. Überall umgeben uns grasbewachsene Hügel, die in einen dichten Regenmantel gebettet mir nun gar nicht mehr so unsympatisch und trist erscheinen. Der Vater des Jungen holpert mit mir auf seiner Isch (russisches Standardmotorrad) in halsbrecherischem Tempo zurück zu unseren Maschinen, doch auch seine Batterie kann unseren Krads keinen Ton entlocken.

Als ob uns die Moppeds einen Streich spielen wollten, springen beide ohne Probleme am nächsten Morgen wieder an und tragen uns die darauffolgenden Tage tief in die Wüste hinein. Ausreichend versorgt mit Sprit, Wasser und Lebensmitteln wanken wir überbeladen auf unbefestigten Sandpisten durch die karge Landschaft. Merklich wärmer begrüsst uns das hiesige trocken staubige Wüstenklima. Die Vegetation bedeckt nur noch sporadisch den Boden. Ausgebleichte Knochen von verendeten Kühen oder Pferden liegen gelegentlich vertstreut herum. Die Horizontlinie flimmert in der heissen Luft. Das Himmelblau und die Sonne leuchten viel farbenfroher und kräftiger als in anderen Regionen. Flaches, fast ebenes Relief ermöglicht ein weites Panorama. Die Orientierung erweist sich als besonders schwierig. Wegweiser gibt es hier nicht. Oft führen mehrere Spuren in die gleiche Richtung bis sie sich unangekündigt voneinander entfernen. Solche "Weggabelungen" bereiten uns immer wieder Kopfzerbrechen. Irgendwann löst sich aber unsere Verkrampfung und wir lassen Sonne, Kompass und Intuitiom emtscheiden, welcher Weg uns weiterführen soll. Besonders interessiert mich in dieser unwirtlichen Gegend die Fauna. Neben Pferden, Kühen und weiter südlich auch Kamelen kann ich nirgendwo andere Vierbeiner entdecken. Die Wüste scheint unbewohnt. Erst bei genauem Hinschauen lassen sich winzige Erdlöcher oder Spuren im Sand finden. Vereinzelte Heuschrecken, Eidechsen und Insekten verraten immer wieder ihre Anwesenheit.

Eines Abends sitze ich noch spät allein vor dem Zelt. Meine Stirnlampe wirft ihr Licht auf's Papier, welches ich gerade im Begriff bin zu bekritzeln. Da höre ich links neben mir ein leises Tap, Tap, Tap. Erstaunt drehe ich meinen Kopf in jene Richtung. Der Lampenschein erhellt den Boden. Plötzlich macht es wieder Tap, Tap und eine Springmaus, wie ich sie eigentlich nur aus den Walt-Disney Zeichentrickfilmen kenne, springt mit kurzen Hopsern in den Lichtkegel meiner Stirnlampe. Kurz darauf, als ob sie sagen wollte: "Oh, 'n bischen zu hell hier!" macht sie kehrt und ist mit abermaligem Tap, Tap, Tap wieder verschwunden. Die Situationskomik bringt mich zum Lachen. Das gibt's doch gar nicht! Ich hatte wirklich geglaubt, diese Springmause wären eine Walt-Disney-Erfindung. Die ausgesprochene Schönheit, die angenehmen Temperaturen und die durchaus witzigen Bewohner dieser Wüste hinterlassen in mir einen durchweg positiven Eindruck. Doch alles ist relativ.

Wenige Tage später hat Lo einen platten Hinterreifen. Widerwillig halten wir und packen in der Mittagshitze das gesamte Gepäck ab, um den Schlauch zu flicken. 80km nach dieser Aktion wiederholt sich das Ereignis. Wir campen an Ort und Stelle, flicken erneut den selben Schlauch und wollen weiter. So langsam müssen wir den nächsten Ort erreichen, sonst wird unser Wasser und die Lebensmittel knapp, doch weit und breit nur Wüste. Da sich der Flicken abermals löst, wechseln wir bei der dritten Reparatur den Schlauch aus. Jedesmal kostet uns das Reparieren eine Menge Energie, Zeit und vor allem Trinkwasser. Erschöpft, den ganzen Tag gegen Staub, Hitze und die äusserst schlechte Beschaffenheit der Sandpisten ankämpfend verdampft die Flüssigkeit nur so aus unseren Körpern. Trotz Durstgefühl sparen wir mit Wasser. In diesem Moment bleibt nichts mehr übrig von der Schönheit der Wüste. Wie ein übermächtiger Gegner zeigt sie uns ihre Spielregeln.

Dank unserer richtigen Orientierungsweise erreichen wir mit drei Tagen Verspätung den nächsten Ort. Von dort aus versorgen wir uns nun mit so viel Proviant, wie die Moppeds tragen können und nehmen die zweite Hälfte unserer Gobi-Rundfahrt in Angriff.